Im Jahr 2009 Jahre erlebte ich meinen persönlichen Tiefpunkt. Mein erstes Kind war zu diesem Zeitpunkt 2,5 Jahre alt, von dem Vater lebten wir bereits seit einiger Zeit getrennt und ich war so weit weg von mir und jeglicher Lebensfreude, dass ich es kaum in Worte zu fassen vermag. Damals war die Trennung mit Kind das Einschneidendste, was mir bisher passiert war und das, wovor ich mich am meisten fürchtete.
Jetzt, rückblickend, war es das Beste, was mir in meinem Leben als Herausforderung hätte begegnen können, denn es öffnete mir – neben meinem Philosophiestudium – einen riesigen Raum für meine persönliche Entwicklung. Ich begann meine Reise nach innen, um mich selbst zu erkennen und zu befreien. Zu Beginn fühlte ich mich gefangen wie in einem Kokon, nicht verbunden mit meinem Leben, mit den Menschen um mich herum, mit der Liebe und mit mir Selbst. Alles in mir war dunkel und schwer. Ich konnte mir in diesem Zustand nicht vorstellen, dass es je wieder besser werden könnte, geschweige denn, dass ich ein solch goldenes Leben erfahren würde, wie ich es heute leben darf. Zusätzlich zu der philosophischen Lektüre aus meinem Studium las ich viele Bücher zu Themen wie Selbstliebe, Psychologie, gelingender Partnerschaft, auch zu Spiritualität und persönlicher Entwicklung. Wenn ich an einem inneren Thema arbeitete und alleine nicht mehr weiterkam, dann habe ich mit Freunden gesprochen und die Unterstützung eines Coaches in Anspruch genommen. Und das mache ich auch heute noch, denn Entwicklung und inneres Wachstum hören nie auf!
Vielleicht fünf Jahre nach meinem Nullpunkt, erkannte ich das erste Mal, dass ich mit meinen Gedanken wirklich die Schöpferin meines Lebens bin. Ich hatte damals vor meinem Tiefpunkt große Angst davor, dass es eine Trennung geben und ich alleinerziehend werden könnte – und genau auf diese Angst fokussierte ich mich. Was passierte, war, dass ich meine gesamte Energie auf diese Möglichkeit gerichtet hatte, die sich dann in meinem Leben ereignen musste. Dies ist ein ‚gutes‘ Beispiel für die Wirkmacht unserer Gedanken und den Grundsatz, dass die Energie der Aufmerksamkeit folgt. Hierdurch wird das Fokussierte – gleich ob es etwas Positives oder etwas Negatives ist – größer, da es kontinuierlich mit Energie ‚gefüttert‘ wird. In meinem Fall: Ein Wachstum im negativen Sinne.
Im Zuge der Beschäftigung mit meiner inneren Welt und den ‚Aufräumarbeiten‘, die durch die Trennung initiiert wurden, reflektierte ich auch viele weitere Lebensbereiche wie beispielsweise das Verhältnis zu meinen Eltern und meinen Geschwistern, zu dem, was ich als Sinn des Lebens für mich erkenne, dazu, wie ich Mutterschaft und Partnerschaft leben möchte und über Freisein und Freiheit. In diesem Prozess, den ich in den vergangenen Jahren durchlaufen habe – und den Du, wenn Du magst, auf Deine ganz persönliche Weise mit Unterstützung dieses Buches erleben darfst –, wurde mir klar, dass der gefühlte Kokon der Unfreiheit und Dunkelheit einen entschiedenen Vorteil, einen psychologischen Gewinn für mich hatte:
Er war gewohnt und bot mir dadurch Sicherheit. Ich erkannte, dass die innere Freiheit den Preis der Sicherheit forderte. Auf der anderen Seite: Die gewohnte Sicherheit forderte den Tribut der Unfreiheit. Ich hatte die Wahl und entschied mich für die Freiheit, klärte Beziehungen, was auch mitunter sehr schmerzhaft sein konnte, schälte mich aus meinen seelischen Schmerzen, entidentifizierte mich von ihnen und überwand sie. Seelische Schmerzen können den Prozess der Selbsterkenntnis und der Klarheit begleiten und das ist auch in Ordnung. Ich werte seelische Schmerzen als Wachstumsschmerzen, als Geburtsschmerzen, die manchmal notwendig sind, wenn sich eine Neugeburt ankündigt. Der langfristige Gewinn hierbei ist, dass ein in Klarheit verwandeltes, durchfühltes und erkanntes Thema nach der seelischen Neugeburt kein Thema mehr ist – oder, wenn doch irgendwann wieder, dann auf einem anderen Level.
Ich ließ alles los, was nicht mehr zu mir gehörte an Gedanken, Gefühlen, Menschen, Dingen und Vorstellungen vom Leben. Und ich wurde reich belohnt: Denn die Aufgabe der Sicherheit und das Erleben von Unsicherheit war in diesem Prozess nur der erste Schritt. Je mehr ich wuchs und mich entwickelte, desto mehr echte innere Sicherheit gewann ich in mir. Eine Sicherheit, die seither immer weiterwächst und mich durch mein Leben trägt. Eine Sicherheit, die vor allem keine Ego-Sicherheit ist, die jedes Hinterfragen von Geglaubtem blockiert, da sie sonst ins Wanken gerät. Diese Ego-Sicherheit ist einer Herzens-Sicherheit gewichen, die selbst dann noch vorhanden ist, wenn alles in Frage steht und im Wandel begriffen ist. Das empfinde ich als reiches Geschenk für diesen Prozess.
Der entscheidende Wendepunkt in meinem Leben geschah also, als ich die vollkommene Verantwortung für mein Leben und mich übernahm und mein Empfinden als Opfer der Lebensumstände aufgab und mich als Schöpferin meines Lebens anerkannte.
Nachdem ich die Freiheit von in mir entwickelt hatte, davon, was ich alles nicht mehr in meinem Leben erleben wollte, hatte und habe ich die Möglichkeit die Freiheit zu (siehe Erich Fromm: Die Furcht vor der Freiheit) zu genießen und mein Leben erfüllt zu entwickeln und meine Wünsche zu verwirklichen.
Nun wusste ich also, was ich alles nicht mehr in meinem Leben schöpfen und erfahren möchte. Doch was wollte ich nun stattdessen in meinem Leben?
Ich gründete vor 6 Jahren meine Philosophische Praxis „freiSein – Praxis für Kommunikation und Philosophie“ und begann, Menschen auf ihrem Weg in ihre innere Freiheit zu unterstützen.
Ich schrieb gemeinsam mit dem Vater meines ersten Kindes das Buch „TrennungsLicht“, in dem wir unsere Geschichten der Trennung, so wie sie jeder aus seiner Perspektive erlebt hat, und die Prozesse, durch die wir gegangen sind, beschreiben. Abgerundet wird dieses Buch durch 20 Reflexionsfragen, um sich selbst – in einer ähnlichen Situation oder um diese zu vermeiden – zu hinterfragen und ggf. rechtzeitig Kurskorrekturen in der Partnerschaft vornehmen zu können.
Nach den verschiedensten Lektüren zum Thema Partnerschaft und ein wenigen kürzeren Beziehungen – durch die ich unheimlich viel lernen durfte, wenn auch oft erneut auf schmerzhafte Weise –, kam ich Anfang 2015 an den Punkt, an dem ich wirklich bereit war eine Lebenspartnerschaft auf Augenhöhe und als Raum von Entwicklungsmöglichkeiten eingehen zu wollen. Das ist nun fünf Jahre her. Ich bin sehr dankbar, heute in einer freien und verbundenen, ja, in einer (r)evolutionären Partnerschaft leben und wachsen zu dürfen. Auch mein tiefer Kinderwunsch hat sich auf unterschiedlichste Weise wunderbar erfüllt, sodass ich heute Mutter von einer bunten, lauten, fröhlichen und sich entwickelnden Patchwork-Familie mit fünf Kindern bin. Für diese reiche, goldene Ehe und facettenreiche Familie bin ich – trotz Herausforderungen und Wachstumspotenzial oder gerade deswegen? – jeden Tag unsagbar dankbar!
Durch all diese Prozesse haben sich Philosophie in Kombination mit Klarheit, Selbsterkenntnis, Verbindung, Verantwortung und Freiheit als meine Lebensthemen herauskristallisiert. In jedem Bereich meines Lebens versuche ich diese zu leben und Menschen, die sich im privaten wie beruflichen Kontext an mich wenden, hierin zu unterstützen. Ich wurde und werde im Meer des Lebens geschliffen wie ein Diamant und verstehe mich heute als philosophische „Lebenshebamme“ im Sinne der sokratischen Dialog-Methode der Mäeutik, abgeleitet von der Hebammenkunst. Ich empfinde es als meine Berufung, Menschen dabei zu unterstützen, sich selbst zu erkennen, Freiheit und Leichtigkeit in sich zu finden, die Perspektive zu verändern und die unsichtbaren Möglichkeiten im Dialog zwischen meinem Gegenüber und mir sichtbar zu machen.
Und jetzt?
Meine Vision steigt seit Jahren immer deutlicher aus meiner Seele empor und erscheint jeden Tag konturierter und klarer vor meinem inneren Auge. Ich fühle, dass ich ein rundes Haus erschaffen werde, das zugleich Zuhause für meine Familie und mich, als auch ein Ort des Wachsens und Werdens für Menschen ist. Dieser heilige und heilende Ort befindet sich am Meer und ist gesäumt von Bäumen, in denen Vögel nisten und ihr wundervolles Konzert spielen. Es gibt Gästehäuser, die ebenfalls rund sind und über ein tropfenförmiges Badezimmer verfügen. Ein rundes Yoga- und Meditationshaus sowie ein rundes Haus zum Lernen finden ebenso ihren Raum wie ein Freudegarten. Der Freudegarten und das Meer laden zum Innehalten in der Natur ein, schenken Inspiration und Verbindung mit allem, was ist. Vor allem erlaubt dieser Ort, die eigene innere Stimme wieder zu hören und neue Erkenntnisse über sich und die Welt zu gewinnen.
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